Die Filmstarts-Kritik zu I Saw the Devil (2024)

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I Saw the Devil

Kritik der FILMSTARTS-Redaktion

5,0

Meisterwerk

I Saw the Devil

Von Jan Hamm

„Das also war des Pudels Kern, ein fahrender Scholast! Der Kasus macht mich lachen", höhnte Goethes leichtsinniger Faust, als er zum ersten Mal ins Antlitz des Leibhaftigen blickte. Wenn Schulbusfahrer Kyung-chul und Geheimagent Soo-hyun erstmals vor der Kamera des südkoreanischen Regie-Virtuosen Kim Ji-woon aufeinander treffen, schaltet Soo-hyun in Sekundenbruchteilen: „I Saw The Devil". Und der erscheint hier nicht als lasziver Satyr à la Robert De Niro („Angel Heart"), Jack Nicholson („Die Hexen von Eastwick") oder Al Pacino („Im Auftrag des Teufels") – sondern als nihilistische Urkraft im Wirken der Menschen. Seinen Ruf als leichtfüßiger Genre-Tänzer hat Kim Jee-woon nach einem Horror-Exkurs („A Tale Of Two Sisters"), einer Mafia-Ballade („Bittersweet Life") und seinem postmodernen Westernspaß „The Good, The Bad, The Weird" in Anlehnung an Sergio Leone längst zementiert. Jetzt bläst Kim Ji-woon zum Sturm auf das amerikanische Serienkiller-Monopol – und triumphiert. „I Saw The Devil" ist das grandios inszenierte und nervenzerfetzend spannende Meisterwerk eines entfesselten Künstlers.

Warum Kyung-chul (Choi Min-sik) nicht längst überführt wurde, leuchtet dem sad*stischen Schulbusfahrer, Vergewaltiger und Serienmörder kaum ein. Besonderen Wert auf Sicherheit legt der Triebtäter bei seinen Streifzügen längst nicht mehr, vielmehr spielt er mit der Polizei. So braucht Geheimagent Soo-hyun (Lee Byung-Hun) auch nicht lange, um Kyung-chul aufzuspüren. Doch Soo-hyun ist keineswegs in offiziellem Auftrag unterwegs. Als Vigilant will er den Tod seiner Verlobten rächen, auf seine eigene, gnadenlose Art. Kurz darauf stehen sich die beiden Männer gegenüber und stürzen in einen Kampf um Leben und Tod. Doch als Soo-hyun die Überhand gewinnt, sieht er davon ab, das Scheusal hinzurichten. Stattdessen pflanzt er dem besinnungslos Geprügelten einen Mikrosender ein – und lässt ihn entkommen...

Im Gegensatz zum Noir-Gestus von David FinchersSieben" setzt Kim Ji-woon von der ersten Minute an auf furioses Tempo und pulsierende Action. Der berühmte Kopf im Karton taucht hier gleich zu Beginn auf – als Verneigung und Abgrenzung. Dass ein koreanischer Hannibal-Lecter-Widergänger konsequent nur als ärgerliches Hindernis im Duell der Protagonisten vorkommt, ist eine Pointe, die süffisant auf Jonathan DemmesDas Schweigen der Lämmer" verweist. Nicht minder amüsant ist die bestechende Besetzung, mit der weitergedachte Figuren aus früheren Filmen der zwei Hauptdarsteller aufeinander treffen: Choi „Oldboy" Min-sik - einmal mehr Opfer eines perfiden Spiels - dreht den Spieß um, während Lee Byung-hun nach „A Bittersweet Life" nicht länger nach dem Warum fragt, sondern Gewalt als unausweichliche Gegebenheit bestätigt. Kyung-chul und Soo-hyun sind Konzeptfiguren, die über biographische Andeutungen hinaus keine Tiefe haben.

Vielmehr prallen hier zwei Varianten perverser Gerechtigkeit aufeinander. Kyung-chul, so wird angedeutet, könnte ein gescheiterter Revolutionär sein, der sich nun lüstern an der Welt und den Menschen vergreift – ein gedemütigter Engel, für alle Zeiten aus dem Paradis verbannt. Soo-hyun wiederum tritt als allsehender Richter auf, dessen archaischer Zorn alle Mittel heiligt – Auge um Auge, Zahn um Zahn. Schnelle Vergeltung ist keine Option in „I Saw The Devil", stattdessen halten sich die Kontrahenten gegenseitig im irdischen Fegefeuer fest. Und nicht weniger zeigt Kim Jee-woon mit der fürchterlichen Marter von Körpern und Seelen. „I Saw The Devil" ist ungeheuer physisch, gleichwohl nie voyeuristisch. Dafür wird zu schnell weggeschnitten, dafür ergeht sich Kim Ji-woon zu oft in provokant verhehlenden Einstellungen.

Mehr noch als die physische und über weite Strecken sexuell konnotierte Gewalt schockiert dabei, wie Kyung-chul seine Opfer mit schierer Präsenz in die Unterwerfung treibt – oft fallen die Frauen noch vor der ersten Berührung in katatone Schockstarre. „Wenn du ES nicht kennst, kennst du Männer nicht", spottet er dann - Freuds Werk und Teufels Beitrag. Auch andere, ähnlich knapp gehaltene Dialogzeilen reflektieren das Geschehen. „Mein Werk ist nicht sinnlos", wehrt sich Soo-hyun auf die verzweifelte Bitte seiner Familie, auf weiteres Blutvergießen zu verzichten. Das lässt sich ebenso als Vermerk an ein Publikum lesen, das Kim Ji-woons Gewaltdarstellung als selbstzweckhaft aburteilt. Dabei liefert „I Saw The Devil" den gesunden Kommentar gleich mit, wenn fassungslose Verwandte und Kollegen die Tragödie wie ein griechischer Chor begleiten.

Ganz und garnicht streitbar ist Kim Ji-woons stilvollendende Regie. „I Saw The Devil" ist ein inszenatorisches Glanzstück, das den überwiegenden Teil aller Hollywood-Produktionen als bieder-routinierte Handwerkelei bloßstellt. Wie ein freischwebendes Auge gleitet die Kamera selbst durch unmögliche Zwischenräume – etwa ein belegtes Taxi - und tastet gelegentlich sekundenlang nach zentralen Einstellungsdetails. Dann wieder entfacht Kim Ji-woon ein kinetisches Bilder-Inferno, das selbst Park Chan-wooks Rache-Trilogie („Sympathy For Mr. Vengeance", „Oldboy", „Lady Vengeance") in den Schatten stellt; ganz als würde der visionäre Filmemacher sagen wollen: Ich gebe mich dem Teufel hin – wenn ich nicht selber schon der Teufel bin. „I Saw The Devil" ist ein cineastischer Hochgenuss für ein nervenstarkes Genre-Publikum.

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